Saturday, March 9, 2013

Thoughts that Express Themselves Better in German

Zuerst gibt's eine überraschende Nachricht -- ich bin einer Improv-Gruppe beigetreten! Und zwar Spiel mit den Kulturen, dessen Ziel es ist, durch improvisiertes Theater etwas zur gesellschaftlichen Diskussion darüber beizutragen, wie Vielfalt in multikulturelles Wien erlebt wird. Es geht ums Ausprobieren der Grenzen, ums Spielen mit Stereotypen und Vorurteilen, um die Gestaltung eines Dialogs zwischen den unterschiedlichsten Positionen.

Und genau das ist im ersten Modul geschehen. Ein Naziwitz wurde erzählt, und ich habe mich plötzlich so entsetzt gefühlt. Das Gefühl ist durch meinen ganzen Körper gedrungen. Ich wusste gar nicht, dass das Erwähnen von der NS-Geschichte bei mir so ein Tabu geworden ist, aber das ist es offenbar. Leider ist es alles ganz am Ende des Workshops passiert, und wir konnten nicht darüber im Kreis reden, aber ich habe ein bisserl nach der Stunde mit dem Leiter des Workshops, der um mich Sorge gemacht hat, geredet, und ich glaub, ich verstehe jetzt, wieso ich nicht damit zurecht kommen konnte:

Stufe 1: Ich habe schon Erfahrung mit der rechtsradikalen Szene -- nicht in Österreich, sondern in den USA. Ich wollte meine Bachelorarbeit über Rechtsradikale in den Staaten schreiben, und als Vorbereitung darauf bin ich in Kontakt mit einigen Gruppen getreten. Ich habe sogar vier Interviews geführt, die zum Teil sehr entsetzend waren. Die Rechtsradikalen waren zwar rassistisch, aber so viel rassistischer als die Leute zu Hause waren sie nicht. Die Grenze zwischen Alltagsrassismus und Rechtsradikalismus ist nicht so fest, wie man denkt. Und das ist eine heftige Erfahrung zu machen. Dann wurde ich von denen sogar beschimpft -- oder genauer gesagt, online geflamt. (Wenn du "Keri Hartman Harvard" googelst, findest du die Seite immer noch.) Ich durfte nicht weiter forschen, und musste sogar die Polizei darüber benachrichtigen. Für ein paar Tage hatte ich richtig Angst. Das NS-Thema ist für mich noch ganz eng mit diesen Erfahrungen verbunden.

Stufe 2: Ich wohne aber jetzt in Österreich. Und wenn ich darüber nachdenke, sehe ich urviele Spuren der NS-Geschichte rund mich herum. Es geht mir manchmal durch den Kopf, dass alle Menschen ab einem bestimmten Alter, die ich auf der Straße sehe, irgendwie beteiligt waren, damals. Auch Kleinigkeiten fallen mir auf: z.B. als wir uns nach unserer Augenfarbe im Raum aufgeteilt haben, habe ich bemerkt, dass sich nur Österreicher und Deutsche in der blauäugigen Gruppe befunden haben. Oder dass ich mir während des Deutschlernens merken musste, dass jemand, der führt, nicht ein Führer, sondern ein Leiter ist. Und dass die Leute vor der Votivkirche von Abschiebung, nicht von Deportation gedroht werden.

Stufe 3: Aber ich hab das Gefühl, dass ich nicht darüber reden darf. Diese Vergangenheit ist nicht meine zu bewältigen. Es ist mir schon mehrmals passiert, dass ich als einzige Ausländerin in einer Gruppe von Deutschen und Österreichern bin, wo es besprochen wird, wie furchtbar es ist, was die Großeltern usw. gemacht haben. In solchen Situationen fühle ich mich getrennt von Österreich wie fast nirgendwo anders. Es ist euer Thema zu diskutieren, eure Aufgabe, damit klar zu kommen. Ich kann, will, und soll nichts dazu sagen.

Stufe 4: Und das ist vielmehr so, weil ich eine gute, höfliche Ausländerin sein will, nicht eine blöde Amerikanerin, die Naziwitze erzählt. Vor allem weil das Stereotyp, das alle Deutschen Nazis sind, in der Heimat sehr weit verbreitet ist und ich auch dagegen kämpfen muss, um meine Leidenschaft für alles deutsche zu rechtfertigen. Deutschlernen war bei mir ein 6-jähriges Seminar über die Shoah, obwohl mein Interesse an der deutschen Sprache und der deutschen Kultur aus ganz anderen Gründen stammt. Es stellt sich die Frage aber, wieso ich mich entschieden habe, mich so intensiv mit dieser Kultur auseinanderzusetzen. Ich kann mich noch daran erinnern, als ich mir 2010 während der WM mein deutsches Fußballtrikot angezogen habe, dass meine damalige Mitbewohnerin, eine amerikanische Jüdin, mir gesagt hat, "Ich würde die Deutschen nie anfeuern können." Das hätte sie einer Deutschen nie gesagt, weil Jubeln ihrerseits gerecht gewesen wäre. Aber wieso habe ich mir als Amerikanerin ohne jegliche Verbindung mit Deutschland dieses Trikot angezogen? Ich hätte eigentlich fast jede Kultur aussuchen können, wieso bloß diese?

Stufe 5: Diese Unsicherheit wird aber auch mit einer größeren verbunden, nämlich: Wieso bin ich eigentlich in Österreich? Na gut, ich habe die Kultur, das Land, und die Sprache total gern und ich fühle mich wohl hier. Aber ich hab schon ein Land. Und es ist gar kein schlechtes Land. Ich kann auf die oft gestellte Frage "Wieso bist du eigentlich in Österreich?" nur antworten: "Naja, weil es mir hier gefällt." Und das ist so oberflächlich. Ich musste keinen Krieg fliehen, ich wurde nicht wegen Armut hierher gedrängt, sowie bei den "echten" Migranten. Und obwohl ich eigentlich hier bleiben will, sagt ein Teil von mir: "Geh doch bloß nach Hause, Keri, wo du hingehörst. Du bist keine Österreicherin, stell dir nicht vor, du wärest eine. Sei doch die Ami, die du bist."

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